von Anton Hart
Die ausgebildete Textilingeneurin Jil Sander blieb ihrem Fokus auf moderne Materialien und deren Anwendugsgebiete im Lauf ihrer Karriere immer treu. Im Frankfurter ‚Museum Angewandte Kunst‘ gibt es noch bis Mai die weltweit erste Einzelausstellung.
Als Jil Sander Ende der 60er Jahre in Hamburg ihre Karriere als Modejournalistin begann, entsprach wenig von dem was sie dort zu sehen bekam ihrem Formverständnis. Die Hippiebewegung war gerade dabei in einem Überschwang von Ornament und Farben die Welt zu erobern. Da sah die Hanseatin keine andere Möglichkeit als sich selbstständig zu machen.
1968 eröffnete Sander ihre eigene Modeboutique, um ihrer Vorstellung von Mode einen ersten Schauplatz zu geben. Sie favorisierte schon zu Beginn einen protestantischen Minimalismus und produzierte 1973 ihre erste eigene Kollektion, um ihrer Vision größeren Ausdruck zu verleihen. Ihre Kleidung war weniger Opposition zum Zeitgeist, als vielmehr Fortsetzung der Bauhaus-Philosophie im Bereich der Mode. Für Sander hatte Funktionalität und Reduktion der Formen auf das Essenzielle stets höchste Priorität. Nicht durch offensichtlichen Luxus und aufwendige Ornamente, sondern durch puristische Formen und moderne Schnitte überzeugte sie immer wieder neu. Dabei trat der saisonale Wechsel, für den die Modeindustrie bekannt ist, in den Hintergrund. „Wer Jil Sander trägt ist nicht modisch, sondern modern“, so die Designerin selbst.
Dem Material selbst widmet sie höchste Aufmerksamkeit. Stoffrecherchen führten die ausgebildete Textilingeneurin weit abseits von dem, was ihre Designkollegen sonst an Materialien verwenden. Sie importiert High-Tech Gewebe aus Japan und entwickelte eigene Materialien, um ihren Designansatz perfekt umsetzen zu können. Die minimalistische Modernität ihrer Mode ist somit nicht Fassade, sondern vielmehr Ausdruck eines Gesamtkonzepts. Sanders internationaler Erfolg kann dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr Ansatz tief in der Gestaltungsgeschichte Deutschlands verankert ist.
In den späten 70ern Jahren findet ihre Vision von Mode immer mehr Anklang. Der Zeitgeist hat sich von der ornamentalen Überschänglichkeit der letzten Dekade befreit. Frauen steigen immer mehr zu Führungspositionen in Unternehmen auf, und diese Frauen finden in Jil Sanders Kleidung den perfekten Ausdruck ihres eigenen Modeverständnisses und Selbstbildes.Sanders eigene Duftlinie, die minimalistische Gestaltung ihrer Stores und die zurückgenommenen Werbekampagnen führen ihr Konzept ebenso konsequent wie erfolgreich fort und tragen ihren Designansatz weit über ihre Modekollektionen hinaus.
In der Frankfurter Ausstellung werden von Kurator Matthias Wagner in Zusammenarbeit mit Jil Sander über 3.000 qm Fläche zu einem Laufsteg transformiert – Atelier, Kosmetik, Modefotografie, Kunst und Architektur zu einem ästhetischen Gesamtbild zusammengefügt. Dabei zeigt sich die schöpferische Kraft der Designerin, die gerne auf einen schlichten Minimalismus reduziert wird, in all ihrer Vielfältigkeit.
Jil Sander, Präsens, Museum Angewandte Kunst, Frankfurt, bis 6. Mai 2018
Der Beitrag Queen of Less erschien zuerst auf Culture.